Für immer....

Für immer....
Cora

Dienstag, 23. April 2013

Ungarn - Teil 1



Ungarn.
Ähm.
Noch während mein Sprachorgan ein freudiges: "Aber natürlich fahre ich sehr gerne mit." ausstösst, spricht das innere Stimmchen: "Naaaaaaa Weicheich, biste sicher?"
Zeitgleich dröhnt aus dem Hintergrund die Stimme des Mannes:" Aber keinen weiteren Dobi, ist das klar?"
Klar. Klar wie Klosbrühe. Selbstverständlich. Ich bin so glücklich mit unserer Hundeschar. So glücklich mit der Entwicklung von Linda aka Conny.
Noch so ein Dobersonnenschein in unserem Leben. Alles, was es brauchte, war ein Sofa und ein bißchen Liebe. Fertig, der perfekte Doben. Echt. Conny ist der Hammer.

Alles, was ich nach dem Telefonat im Kopf habe, sind Bilder wie diese:
Dobermannzucht Ungarn


Kann ich das ertragen? Werde ich so etwas oder schlimmeres sehen? Wieviele Hunde werden am Ende des ersten Tages gedanklich und damit rein virtuell (wirklich, Schatz, ehrlich jetzt) auf der Bettdecke meines Hotelzimmers liegen, nur damit sie einmal eine liebevolle Hand spüren oder mal wissen wie Speck schmeckt?

Die Nacht wird länger und ich pfeife mir Bilder in den Kopf, weil ich so funktioniere. Ich muss Elend so geballt im Kopf haben, dass mich die echte Welt nicht mehr anrühren kann. Und dann schlussendlich finde ich das Bild, was ich gebraucht habe. Was folgt ist ein Tränenmeer und das Wissen um meine Machtlosigkeit. Ob ich nach Ungarn fahre oder in China ein Sack Reis umfällt. Es ist ohne Worte. Und ich warne jetzt: Ich weiss nicht, ob Sie/Ihr das Ansehen solltet. Ein Horrorfilm ist Scheissdreck dagegen.
http://www.peta.de/web/chinapelz.1732.html

Damit bin ich reisefertig. Und ich möchte noch etwas vorausschicken. Das hier ist ein privater Reisebericht. Es gibt keinen Auftrag von Doberman Rescue Hungaria, auch wenn ich diesen Verrein in der Zwischenzeit  ehrenamtlich unterstütze.

Die Reise ist lang und schnell und während Sabine Winklmann, 1. Vorsitzene des o.g. Vereins ihren Wonneproppen  (jedes Auto hat einen Namen verdient) auf der linken Spur ein wenig traben lässt, frag ich ihr Löcher in den Bauch. Über Ungarn, ihr Engament da, ihre Erfahrungen, ihre politische Meinung, das Land als solches, die Entwicklung, die Zahl der vermittelten Doberseelen. Ihre Antwort auf alle diese Fragen ist simpel und ehrlich. "Ich liebe dieses Land." In Gedanken füge ich hinzu: "und Dobermänner.", denn das wird in jedem ihrer Worte klar. Ihre Augen strahlen, wenn sie erzählt und das knappe 9 Stunden lang. Dann sind wir da.
Uns schlottern ein wenig die Knie vom langen Sitzen. Check IN im Hotel. Kurz in den 24 Stunden geöffneten Supermarkt (hört, hört - 24 Stunden sind möglich in Europa), denn es braucht ein T-Shirt für morgen, dann bin zu aufgeregt für den Roomservice oder anders formuliert, ich will jetzt nicht essen, damit mir morgen unterwegs nicht die Hälfte wieder rausfällt (wenn Sie wissen, was ich meine), die Whats Up nach Hause, Pferde gut, Hunde gut, Familie gut, alles gut. Heia.

Budapest ist eine Reise wert. Das wird sofort klar. Welch eine Stadt. Berlin ist klein dagegen. Es pulst, es lebt, es entwickelt, es "europart". Budapest ist schön und ich entschließe spontan, dass ich hier noch einmal hin will. Dann als Tourist, ohne Hundegedanken im Kopf.


Es ist diese Mischung aus Abend- und Morgenland, die Begegnung zwischen Ost und West, aber sicher auch zwischen arm und reich, zwischen Villen und Plattenbauten, die diese Stadt unglaublich anziehend macht. Wussten Sie, dass Budapest's Strassen in Gänze 4000 km lang sind? 

Daher dauert es eine gefühlte Ewigkeit, bis wir in der Tierklinik ankommen, unserer ersten Station des heutigen Tages. 
Krankenvisite bei Ron. 
Schon die Klinik ist eine Überraschung. 
Es gibt eine.
Und sie ist gut besucht. Da sitzen ungarische Menschen und beruhigen ihre Hunde. Alles wie immer, wie daheim.
Sabinchen hat Speck vom Frühstücksbuffett in der Duschhaube geschmuggelt, tzzzz und Ron interssiert sich nicht die Bohne dafür. Alles, was er will, sind Menschen, ihre Stimmen, ihre Streicheleinheiten und dann will er den Speck doch noch, aber dann lieber wieder doch auf den Rücken und er fragt in Dobermanier nach mehr Liebe. Was für ein Prachtkerl, was für ein Charakter. Glückwunsch den neuen Besitzern, denn die hat er - Gott der Dober sei Dank -, sonst hätte ich in diesem Moment das erste Mal geschwächelt. Schatz, nein, wirklich nicht. Ehrlich. 
Ähm. 
Räusper.
Was mir dann den Atem beinahe gefrieren lässt, ist mein Gestammeltes: "I would like to say Thank You!!!! from the buttom of my heart for rescue Nanny 2 years ago; she died a few weeks ago, but she was happy with us for over 735 days." und der Tierarzt dieser Klinik blinzelt für einen Moment bevor er meine Hände greift. "I remember; she was such a nice girl."
MOMENT. Ich bin in Ungarn. Hier verrecken Hunde an Ketten, aber Tierarzt und Tierpflegerin erinnern sich an meine NANNY?????? und drücken mir ihr Beileid aus???? Und genau in diesem Moment beginne ich zu begreifen, dass sich etwas ändert, wenn man Hunde aus Ungarn holt, Filme aus China beschaut, wenn einer aufsteht, zwei aufstehen, ein Forum aufsteht, wenn es 1400 Likes gibt für Vorher-Nachher Bilder. Hier tut sich was. Hier ändert sich was. Hier hat sich was verändert. Ist doch scheissegal, wo wir anfangen. Hütet halt daheim die Schweine besser und schmeisst Euch vor die Pferdetransporte nach Italien, lest alten Menschen in schrecklichen Altersheimen vor, bevor Ihr die nächste Runde Candy Chrash spielt. Ich steh halt auf Dobermänner. Ungarn ist Zufall. Dobermann Rescue Hungaria nicht.

Weiter. Pflegestellenbesuch. Ist doch eigentlich auch schon zum Niederknien. Da sitzen zigtausende Hunde in erbarmungswürdigen Umständen in Todesstationen und in Ungarn gibt es Menschen, Familien, Ehepaare, die Hunde aufnehmen und betreuen, die Buch führen über die Entwicklung des Kotverhaltens eines Dobermannes und Mails scheiben, wenn der Kot dann zum Würstchen gerät und gleich auch noch Fotos mitschicken. Und so lerne ich Marco (wieder: Sonnenscheinalarm!) und Jodie kennen, eine Whow whow whow, ich will sie alle, aber unser Garten reicht nicht, Traumhündin. Wieder Gott der Doben sei dank, alle beide vermittelt bzw sozusagen im Endring.
Ich bin in dem Momemt ziemlich sprachlos. Bestens bewirtet mit Kaffee und kalten Getränken wird gelacht und erzählt, Futtersäcke aus dem Wonneproppen gezerrt, über Hundehalsbänder diskutiert, während 5 Hundenasen Hände suchen, weil eigene hat man auch noch und deutsch spricht man auch. Ich könnte glatt sitzen bleiben, aber wir sind nicht hier runter gerauscht, um Kaffee zu trinken.Schade. Wirklich. Was für unglaublich nette Menschen.
Dann führt uns unser Weg über Stock und Stein in den Speckgürtel von Budapest. Sandpisten, die selbst der wakkere Wonneproppen nur noch mit 5 km die Stunde bewältigt (Autobahnen top, Landstrassen schlaglochgesättigt, dann nix mehr und nix meint nix) hin zu Farmen, die zu verkaufen sind. Die Gnadenbrothunde, die nicht vermittelbar sind und zu denen sich vermutlich noch der eine oder andere gesellen wird, brauchen eine Unterkunft in Ungarn, denn irgendwann wird sich das Reisetor nach Deutschland schliessen und DRH will dafür kämpfen, dass auch diese Hunde eine Heimat finden und schlicht weg am Leben bleiben können. Aufruf an dieser Stelle!!!!! Cortes braucht ein ZU HAUSE!!!! Der arme Kerl hat nur drei Beine und? Er war es nicht.!!!!!!!! Er ist auch nur ein Doben, dem Schicksal geschuldet.

Dann sehe ich das Elend. Hunde an Ketten, in Erdhügeln vergraben, selber gebuddelt, um ein wenig Schutz zu finden vor Regen, Kälte und Staub, mal eine Dachpappe drüber, über irgendwas, was man Hütte nicht nennen möchte. Ketten, die keine 2 Meter lang sind, die sich festgebissen haben in das Fleisch der Hunde, deren Gesichter erzählen, von Einsamkeit, Angst, Frustration. Sabine schaut fest geradeaus. Es geht nicht. Du kannst nicht anhalten. Ein Wort nützt nichts. Eine Hand nützt nichts.Tierschutz von uns nützt nichts. 
Wir schauen nach Dobermännern. Punkt. Sehen keine und seufzen erleichtert. Wer es nicht gesehen hat, wird es nicht verstehen. Ich schlafe in dieser Nacht sehr, sehr schlecht.

Nächster Morgen. Hundeschule. Gleichzeitig Pflegestelle. HUNDESCHULE. Ungarn. Siehe oben.. Menschen, die lernen wollen und die Welt ist voller Doben. Denn die Sonne geht auf und es erscheinen Tapi und Zoli. Tapi seines Zeichens Dobermannrüde, Zoli seines Zeichens Hundetrainer. 
Zoli, sein Gesicht strahlt mit Tapis um die Wette, hier sind zwei, die sich lieben, und die sich wieder trennen müssen. Auf deutsch erschallt Sitz, Platz, Steh, Komm her, und Tapi eifert, jede Sekunde fixiert auf seinen Menschen, der ihm eine Zukunft eröffnen wird auf ein Leben, das ein solcher Rüde verdient. Wieder verschränke ich die Hände hinter dem Rücken, die Worte des Gefährten im Nacken, komm bloss nicht heim mit dem nächsten Doben. Hier kann ich die Hände verschränkt halten. Tapi wird seinen Weg finden. Er ist ein Traumhund, mag er erfahren haben, was er will. Nichts als Eifer ist aus seinem Gesicht zu lesen. Nichts als Glück aus dem Gesicht seines Trainers. 
Es werden Fotos gemacht. Von ihm und den weiteren Kandidaten, die hier verweilen, in der Hoffnung auf ein Heim. 
Ich stoppe an der Stelle. Gedanklich und schriftlich. Ich hab schon zu viel gesehen. All die, die DRH betreut, die müssen doch schon längst zu Hause sein, dass kann doch nicht sein, dass die noch warten. In meinem Kopf formen sich Gedanken, was ich zu tun habe, wenn ich wieder zu Hause bin, was ich dazu beitragen kann, um Plattformen zu schaffen für diese Hunde und ich denke bewusst weg. 
UNSER Garten ist zu klein. Punkt. Schluss. Fertig. Ich hab schon vier und ich liebe sie alle.
Mehr können wir nicht leisten.

PS Tipp- und Rechtschreibefehler korrigiere ich morgen. Es musste nur raus.

Teil 2 folgt.



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